anee mann
(* in München, lebt und arbeitet in Paris)
1998 | "Dimensionalitäten", ProjectUnited, Berlingen |
1999 | "Warum gab es mehr Fortschritt beim Kochen als beim Sex?", mit Roswitha Huber, Wagnerstraße, München |
2000 | "art frankfurt", ProjectsUnited, Frankfurt "Landscapes", ProjectsUnited, Schloss Brunegg (CH) "Das trojanische Pferd", Galerie Heike Curtze, Salzburg "Gab es nun mehr Fortschritt beim Kochen als beim Sex?" mit Roswitha Huber, München |
2001 | "ANEE MANN" (Einzelausstellung), Consulting McKinsey, München "Vielfalt - Einheit", Galerie Heike Curtze, Salzburg "Mit vollem Munde spricht man nicht", Galerie der Künstler, München |
2002 | "Drehpunkte", ProjectsUnited, Bad Aibling "Mit vollem Munde spricht man nicht", Museum der Stadt Kiel |
2003 | "bright" (Einzelausstellung), Galerie Heike Curtze, Wien |
2004 | "Konzentrationen", Galerie Heike Curtze, Salzburg |
2005 | "Kunst.Messe.Linz", Galerie Thiele, Landesmuseum Linz "Standpunkte", Galerie Heike Curtze, Salzburg "bright" (Einzelausstellung), Virsalis by Günter Salzmann, Innsbruck |
2006 | "I-beam" (Einzelausstellung), Galerie Heike Curtze, Wien "bodyproofs" mit Petra Sterry, Galerie Heike Curtze, Salzburg ARCO Art Fair (Galerie Heike Curtze), Madrid "Menschenbilder", Hans-Schuster-Haus, Rosenheim |
2007 | "Illusion", Caroline Smulders, Paris CORNICE Art Fair (Galerie Heike Curtze), Venedig "Spannungsfelder", Galerie Heike Curtze, Salzburg |
2008 | "Sonnengold", Galerie Heike Curtze, Salzburg "O-M-I" solo show, Galerie Heike Curtze, Wien "Konschthaus beim Engel" Ministère de la Culture, Luxemburg "Viennafair" Messe, Galerie Heike Curtze, Wien |
2009 | "Un salon particulier" Paridudessin, Caroline Schmulders, Paris "O-M-I", solo show, Galerie Heike Curtze, Berlin "Arte Fiera", fair, Galerie Heike Curtze in Bologna |
(Weitere Informationen unter: www.aneemann.com)
SPUREN DER ERINNERUNG
Zum Spannungsfeld von autobiografischer Erinnerung und photografischer Gegenwart bei anee mann
(Carl Aigner)
Bei dem kleinsten aber auch bei dem größten Glück
ist es immer eins, wodurch Glück zum Glücke wird:
das Vergessenkönnen oder, gelehrter ausgedrückt,
das Vermögen, während seiner Dauer unhistorisch
zu empfinden.
Friedrich Nietzsche
Keinem anderen Bildmedium haftet sosehr das Signet an, Kunst der Erinnerung zu sein wie der (digitalen) Photographie. Und kein anderes Bildmedium ist sosehr durch die Kunst des Details gekennzeichnet wie die Photographie. Als erstes Zeit-Bild in der Geschichte der Bilder ist es damit per se auch eine Kunst der Zeit. Und als erstes Licht-Bild in der Geschichte der Bilder verschränkt, ja vermählt es in einzigartiger Weise Zeit und Licht zu einer belichteten Zeit. Photographien sind daher keine Verdoppelungen, keine Kopien oder Reproduktionen des Gezeigten, sondern „Emanationen des vergangenen Wirklichen“ (Roland Barthes)
Als „eine Spurensuche in Detailaufnahmen aus der Wohnung meiner Grosseltern“ beschreibt anee mann ihre neueste Werkserie. Über Monate hinweg entfaltet sie eine photo-visuelle Recherche in ihre eigene Geschichte, eine Recherche in die Möglichkeit und Unmöglichkeit des persönlichen, subjektiven Erinnerns. Behutsam, sorgsam, manchmal zögern und verstört wird es eine Reise in die eigene Kindheit und damit in jene Heimat, die wir nie wieder gewinnen können, wie Ernst Bloch es in „Prinzip Hoffnung“ so eindringlich formuliert hat.
Erinnerungsarbeit ist jedoch immer gegenwärtige Konstruktion, Vergangenheit immer nur als Gegenwärtigkeit memorierbar. Im Gegensatz zur Historie, die das Faktische als Wahrheit suggeriert, ist sich der künstlerische Diskurs immer der Tatsache bewusst, dass es ästhetischer Strategien bedarf, um Vergangenes als Gegenwart „wahrnehmbar“ zu machen (so ist die Narration der Historie selbst bereits sprachlich-ästhetische Konstruktion). Anee mann ist sich dessen bewusst. Mit verschiedensten ästhetischen Verfahrensweisen und Strategien wird durch künstlerische Konstruktion eine bewusste Differenz zum Gezeigten geschaffen. Mittels des photographischen Prinzip der Mehrfachbelichtung wird sichtbar gemacht, dass der Blick in die Vergangenheit kein eindimensionaler, sondern ein vielschichtiger, komplexer ist. Gleichzeitig suggerieren diese pikturalen Überlagerungen jenes visuelle und imaginäre Moment von Verschwinden und in Erscheinung treten, die grundsätzlich unser Erinnerungsvermögen konstituieren. Der Begriff des „fadings“ ist dabei ein zentraler, photographisch sprechen wir von Aus- und Einblendung. Diesen Prozess vermag kein anderes Medium eindringlicher darzustellen und zu vermitteln wie die Photographie, kann sie doch wie kein anderes eine Absenz in eine Präsenz verwandeln.
Das macht sie auch zu einer Kunst des Details, der gezeigten Dinge und Objekte, die selbst als Metapher der Zeitlichkeit fungieren. Der minutiöse Blick auf diese lässt Gegenwärtiges wanken und produzierte eine singuläre Atemporalität: Die photographische Verwebung von jetzt und damals, von absentem Gegenstand und präsenter Sichtbarkeit schafft jenen Effekt, der Wahrnehmung und Zeit implodieren lässt.
Eine Reihe von Photographien wird darüber hinaus noch mit einem Farbband, welches das gesamte Bild umläuft, akzentuiert. Diese Verfahrensweise ermöglicht eine weitere Betonung und Intensivierung des Verhältnisses von Nähe und Ferne, von Distance und Intimität und verwandelt die photographischen Bilder selbst in „Objekte“. Bewusst hat sich anee mann auch für die Farbphotographie entschieden, da die S/W-Photographie viel stärker das Moment der Nostalgie implizieren würde, sozusagen einen visuellen, wahrnehmungskonditionierten Kurzschluss von Gegenwart und Vergangenheit. Der Blick der Betrachtung wird dadurch ebenso gebrochen und analogisiert parallel dazu das Phänomen der Erinnerung mit dem Blick der Künstlerin: Vergangenes ist nur als Gegenwärtigkeit erfahrbar.
Dies ist auch der „magische“ Moment, wo photographische Erinnerungsarbeit die Kraft einer gegenwärtigen Zukünftigkeit impliziert. Sich erinnern wollen bedeutet immer auch Zukunft zu konstruieren. Kein anderes Bildmedium ist daher gleichzeitig so voller Melancholie und Optimismus wie die Photographie, da sie einen doppelten Diskurs zeugt: die Botschaft des Vergehens und die Botschaft einer Wiederkehr als aufgehobene Zeit der Zukünftigkeit. „Nicht der nostalgische Blick in die Vergangenheit, sondern das Geschick einer unerreichbaren Zukunft ist die Sache der Photographie“, schreibt Hubert von Amelunxen dazu.
Unabdingbar wird die Photographie so selbst zu einer Ruine der Zeit. Eingeschrieben in eine Epoche der Beschleunigung, der Inversion von Raum und Zeit wird sie selbst zu einem Momentum der Zeit, zu einen Monument dieser neuen Zeitlichkeit einer industrialisierten Gesellschaft, indem sie diese scheinbar unterläuft. Aber nur im künstlerischen Diskurs der Erinnerungsarbeit vermag die Photographie ihr Delirium der Zeit aufzuheben und rezipierbar zu machen – auch dies zeigt die neue Arbeit von anee mann in anschaulicher Weise. Das punctum dieser photographischen Arbeit jedoch, von dem Barthes als „jenes Zufällige an ihr“ spricht, ist, dass es „mich besticht (mich aber auch verwundet, trifft)“ist, dass im Moment des Abschlusses der Bildserie die Großmutter von anee mann stirbt. „Dieses neue punctum, nicht mehr eines der Form, sondern der Dicht, ist die ZEIT, ist die erschütternde Emphase des Noemas („Es-ist-so-gewesen), seine reine Abbildung.“ „O-M-I“, so der Titel der neuen Arbeit, ist damit nicht nur subjektive Erinnerungsarbeit, sondern gleichzeitig auch unbestechlicher und exklusiver Zeuge dieser Erinnerungsarbeit selbst, ihre eigene Historie, ihre eigene Zertifikaten.